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Eine Reise zu Polens sanften Riesen | Teil 2: Von Wisent & Wolf

  • Autorenbild: Marc Jeworrek
    Marc Jeworrek
  • 22. Feb.
  • 3 Min. Lesezeit

Wisente - Wirklich sanfte Riesen?

Kaum an unserem Zielort in unmittelbarer Nähe zur belarussischen Grenze angekommen, zeigte sich das erste Wisent – ein kräftiger Bulle, der genüsslich die Rinde eines Baumes abschälte.

Doch nicht nur Baumrinde steht auf dem Speiseplan dieser imposanten Tiere: Nähern sich Wisente menschlichen Siedlungen, kann es vorkommen, dass sie Getreide, Gras oder andere Feldfrüchte fressen – oder diese beim Durchqueren schlicht zertrampeln

Ein Wisent steht am Rande einer Siedlung
Ein Wisent-Bulle am Dorfrand

Wie hoch die Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber den Wisenten ist, konnte ich während unseres Aufenthalts nicht sicher einschätzen. Da sich die Population jedoch in den vergangenen Jahren stetig vergrößert hat, gibt es zunehmend Debatten darüber, ob das Gebiet langfristig ausreichend Raum und Nahrung für alle Tiere bietet. Eine mögliche Überpopulation könnte zu Konflikten mit anderen Wildtieren oder zu Nahrungsmangel führen.


Hinzu kommt: Die Situation an der Grenze zu Belarus hat sich seit 2021 weiter verschärft, da dort eine feste Grenzanlage errichtet wurde. Die Tiere können nun nicht mehr wie bisher frei zwischen den Waldgebieten beider Länder umherwandern.

Es ist kurios: Selbst so große Tiere wie das Wisent schaffen es, in der Vegetation zu verschwinden
Es ist kurios: Selbst so große Tiere wie das Wisent schaffen es, in der Vegetation zu verschwinden

Der Wisent ist das größte Landsäugetier Europas. Er spielt eine zentrale Rolle im Ökosystem, da er Wälder offen hält und so zur Artenvielfalt beiträgt. In den 1950er-Jahren erfolgreich ausgewildert, leben heute rund 500 Tiere in einem Nationalpark im Osten Polens. In Belarus und Russland sind es deutlich mehr.


War einst die Jagd die größte Bedrohung für die Wisente, ist es heute die geringe genetische Vielfalt. Diese ergibt sich einerseits aus den kleinen Genpools der ursprünglichen Zuchtprogramme, andererseits verschärft die Grenzbarriere das Problem, da sie den Austausch zwischen den Populationen unterbindet.

Ein Wisent kann bis zu 850 kg auf die Wage bringen
Ein Wisent kann bis zu 850 kg auf die Wage bringen

 Ein weiteres Problem: Durch regelmäßige Fütterungen und das Nahrungsangebot in der Nähe von Dörfern verlieren einige Wisente ihre natürliche Scheu. Auch wir haben während unserer Reise mehrfach dieselben drei Bullen beobachtet, die sich regelmäßig auf Ackerflächen und in unmittelbarer Nähe von Siedlungen aufhielten.


Übrigens: 2022 wurde ein aus Polen eingewanderter Wisent in der Nähe von Frankfurt (Oder) kurz nach seiner Entdeckung erschossen… 

Die Population wächst – und mit ihr die Fragen nach Platz, Nahrung und genetischer Vielfalt
Die Population wächst – und mit ihr die Fragen nach Platz, Nahrung und genetischer Vielfalt

Zur Entschärfung solcher Konflikte werden bereits verschiedene Lösungsansätze diskutiert und teilweise umgesetzt: Entschädigungszahlungen für Landwirte, gezielte Fütterungen, die Einrichtung von Wildkorridoren und sogar mögliche Umsiedlungen in andere Schutzgebiete.

Wisente verbringen einen großen Teil ihres Tages mit der Nahrungssuche
Wisente verbringen einen großen Teil ihres Tages mit der Nahrungssuche

Ich bin überzeugt, dass eine Koexistenz mit den Wisenten möglich ist – und dass wir ihren Wert für unsere Ökosysteme gar nicht hoch genug einschätzen können. Sie schaffen und erhalten Offenflächen, die für eine intakte und artenreiche Landschaft unerlässlich sind. Dort, wo sie fehlen, nimmt die Artenvielfalt ab. Offenflächen verschwinden oder müssen mit erheblichem Aufwand vom Menschen offengehalten werden – jeder, der schon einmal ein Moor von aufkommenden Birken entkusselt hat, weiß, was das für eine Heidenarbeit ist...

Vor allem in der Herde sind die Wisente stets wachsam
Vor allem in der Herde sind die Wisente stets wachsam

Der Hauptgrund, warum wir uns entschieden haben, die Reise nach Polen im Winter anzutreten, war die hohe Wahrscheinlichkeit, dass dieser Jahreszeit Schnee liegt. Seit ihrer Wiederansiedlung werden die Wisente durch Fütterungsstellen unterstützt, wenn sie in strengen Wintern eigenständig nicht genügend Nahrung finden. Dadurch lassen sich ihre Herden in der Regel gut beobachten – ansonsten streifen sie über riesige Areale und sind schwer zu lokalisieren. Da der Schnee jedoch ausblieb, standen wir vor genau dieser Herausforderung, konnten gegen Ende unserer Reise aber zumindest noch eine kleine Herde auf einem weit entfernten Feld entdecken. Grund genug, um noch einmal nach Polen zurückzukehren, auf den Spuren der sanften Riesen.

Ein Anblick, von dem ich mich nur schwer losreißen konnte - hoffentlich sehe ich sie eines Tages wieder
Ein Anblick, von dem ich mich nur schwer losreißen konnte - hoffentlich sehe ich sie eines Tages wieder

Schatten und Spuren

Auch wenn die Erfolgsaussichten eher gering waren – während unseres Polen-Trips hielten wir stets die Augen nach Wölfen offen und probierten es dabei auch mit ein paar morgendlichen Ansitzen: Bei vier Wolfsrudeln in der Region war alles möglich!


Eine kurze Begegnung sollte es dennoch geben. Auf dem Weg zu unserer Wanderstrecke liefen in der Morgendämmerung plötzlich fünf Wölfe quer über die Straße – damit hatten wir wirklich nicht gerechnet! Neben nur verschwommenen Smartphone-Fotos blieb uns vor allem die Erinnerung an diesen außergewöhnlichen Moment und die Gewissheit, dass diese Tiere tatsächlich in der Gegend heimisch sind.

Insgesamt fünf Wölfe querten vor uns die Straße
Insgesamt fünf Wölfe querten vor uns die Straße

In den darauffolgenden Tagen fanden wir an vielen Stellen im Wald Pfotenabdrücke und andere Hinterlassenschaften. Wir werden definitiv wiederkommen!

Pfotenabdruck von einem Wolf
Pfotenabdruck von einem Wolf

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